Chemiker und Informatiker kämpfen gemeinsam gegen Krebs
Bioinformatiker und Chemiker der Universität des Saarlandes haben in
einer gemeinsamen Forschungsarbeit eine Technik gefunden, welche die
Wirkung des Krebsmittels Camptothecin optimieren kann. Die Ergebnisse
der gemeinsamen Forschungsarbeit wurden in der aktuellen Ausgabe der
angesehenen Fachzeitschrift "c" veröffentlicht - und zwar als
Titelbeitrag.
Camptothecin ist ein Chemotherapeutikum, das früher in der
Krebstherapie angewandt wurde. Es schaltet die veränderten Zellen aus,
indem es ihre DNA zerstört. Allerdings sind seine chemischen
Eigenschaften für ein Medikament nicht besonders günstig: In Wasser
oder Körperflüssigkeit zersetzt sich das Camptothecin-Molekül, indem
kleine Stücke abbrechen. So gelangt es nicht vollständig an den
Krebsherd. Der Zerfall vermindert also die Wirksamkeit des Mittels.
Camptothecin wurde vom Markt genommen.
Camptothecin: C20H16N2O4
Systematischer Name (IUPAC):
4-ethyl-4-hydroxy-1H-pyrano[3',4':6,7]indolizino[1,2-b]quinoline-3,14-(4H,12H)-dione
CAS Nummer: 7689-03-4
Weil man sich trotzdem viel von Camptothecin
als zukünftigen Krebstherapeutikum verspricht, versuchten jetzt die
Wissenschaftler der Saar-Uni das Camptothecin-Molekül zu
stabilisieren. Die Idee bestand darin, Camptothecin mit einem
Kohlenhydrat-Molekül (Cyclodextrin) zu verbinden. Das
Kohlenhydratmolekül sollte sich wie eine Schutzhülle um das
Camptothecin legen, so dass keine Teile mehr abbrechen können.
Zunächst baute dafür der Bioinformatiker Andreas Steffen, Mitarbeiter
des Arbeitskreises von Prof. Dr. Thomas Lengauer vom
Max-Planck-Institut, das Camptothecin-Molekül und seine synthetischen
Rezeptoren in einer Computersimulation nach. Um das
Camptothecin-Molekül zu stabilisieren, setzte er es in der
Computersimulation in das Cyclodextrin-Molekül. In der
Computersimulation legte sich das Cyclodextrin tatsächlich wie eine
schützende Hülle um das Camptothecin-Molekül.
Nun überprüften die Wissenschaftler, ob das, was am PC funktionierte,
auch der Praxis standhalten würde: Mitarbeiter des Arbeitskreises
Organische Makromolekulare Chemie von Prof. Dr. Gerhard Wenz
synthetisierten verschiedene Derivate des Cyclodextrins im Labor und
untersuchten deren Wirkung. Und tatsächlich: Camptothecin verband sich
wie in der Computersimulation problemlos mit dem Wirtmolekül
Cyclodextrin. Jetzt könnte es schneller und direkter zu den Zellen
gelangen ohne dabei gesunde Zellen zu zerstören - eine Nebenwirkung,
die im allgemeinen bei der Chemo-Krebstherapie ein gravierendes
Problem darstellt.
Allerdings fehlen für diese Annahme noch Tests an lebenden Zellen. Bis
zu einem auf Camptothecin fußenden, neuen Medikament ist es noch ein
weiter Weg. Die Wissenschaftler werten ihren Erfolg daher als einen
wichtigen Schritt für die Grundlagenforschung: "Das Ergebnis kann dazu
dienen, aus dem alten, schlechten Wirkstoff ein gutes
Chemotherapeutikum zu machen", so Chemieprofessor Wenz.