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Neue Arsenlipide im Hering entdeckt

Wissenschaftler der Universität Graz finden eine neue Gruppe arsenhaltiger Verbindungen im Heringsrogen.




Abbildung: Strukturformeln der im Heringsrogen aufgefundenen Arsenlipide. [Bildquelle: Angewandte Chemie]
Arsenlipide des Herings

Seefisch ist dafür bekannt, dass sich in ihm giftige Spurenelemente wie Quecksilber oder Arsen anreichern können. Diese werden an organische Verbindungen gebunden, die sich auch in Zellbestandteilen, zum Beispiel Membranen, wiederfinden. ChemikerInnen der Uni Graz aus der Arbeitsgruppe um Univ.-Prof. Dr. Kevin Francesconi haben nun bisher unbekannte Arsenverbindungen in Heringsrogen nachgewiesen. Die Studie wurde im renommierten Fachjournal Angewandte Chemie als Very Important Paper veröffentlicht [siehe Artikel-Hinweis unten].

Auf der Suche nach Arsenverbindungen in Membranen von marinen Lebewesen konzentrierten sich die Grazer WissenschafterInnen auf Fischeier, da diese besonders membranreich sind. In Proben von Heringsrogen aus der Norwegischen See haben die ForscherInnen dann zwei bisher unbekannte Gruppen von Arsenlipiden entdeckt. Das sind fettlösliche Arsen-Verbindungen, die rund 80 Prozent vom Gesamtgehalt dieses Spurenelementes ausmachen.

Im Speziellen handelt es sich bei den neu gefundenen Gruppen um arsenhaltige Phosphatidylcholine. "Wir haben erstmals nachgewiesen, dass Arsen oder Arsen-Fettsäuren in Phosphatidylcholine eingebaut werden können", berichtet Sandra Viczek, MSc, Erstautorin der aktuellen Publikation.

"Die Entdeckung ist auch deshalb so bedeutsam, weil Phosphatidylcholine ein Kernbestandteil von Membranen sind und damit eine biologisch wichtige Rolle im Zellstoffwechsel spielen", unterstreicht Kevin Francesconi. "Hinzu kommt, dass diese Arten von Arsenlipiden vermutlich über die Hälfte des gesamten fettlöslichen Arsens in marinen Lebewesen ausmachen", ergänzt Studienhauptautor Kenneth Jensen.

Im Rahmen der aktuellen Untersuchung wurden insgesamt fünf neue arsenhaltige Phosphatidylcholine identifiziert. Doch Jensen vermutet: "Wahrscheinlich gibt es noch viele weitere dieser komplexen Naturstoffe."

Jetzt gilt es zu klären, wie giftig die entdeckten Verbindungen sind. Dieser Frage geht Francesconi mit seinem Team im Rahmen eines vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekts nach. "In Kooperation mit ToxikologInnen der Universität Potsdam untersuchen wir, was der hohe Anteil dieser Substanzen in der Membran in toxikologischer Hinsicht bedeutet, das heißt, was die arsenhaltigen Phosphatidylcholine im Zellstoffwechsel bewirken." Eine weitere Frage ist, welche Rolle die Art der Zubereitung spielt.

Die technischen Voraussetzungen für die bahnbrechenden Forschungsergebnisse bietet das extrem hochauflösende Massenspektrometer des "NAWI Graz Central Lab - Environmental, Plant and Microbial Metabolomics". Das Top-Gerät ermöglicht es, die Verbindungen in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen und diese mit höchster Präzision zu bestimmen.

 

 

Pressemitteilung der Angewandten Chemie

Arsen in Heringskaviar

Eine neue Gruppe von Arsenlipiden in Heringsrogen

Seefisch ist dafür bekannt, dass er toxische Spurenelemente wie Quecksilber oder Arsen anreichern kann. Die aufgenommenen Elemente werden chemisch an organische Verbindungen gebunden, die man unter anderem in der Zellmembran wiederfindet. Österreichische Wissenschaftler haben jetzt im Rogen von atlantischem Hering eine Reihe von bisher unbekannten arsenhaltigen Membrankomponenten nachgewiesen. Ihre Studie veröffentlichten sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie.

Fisch als Entgiftungsmaschine: Meeresorganismen kennen verschiedene Mechanismen, um aufgenommene toxische Substanzen chemisch zu binden. Die Spurenelemente reichern sich unter anderem im Fettgewebe an. Jetzt haben Kenneth Jensen und Sandra Viczek in der Gruppe von Kevin Francesconi an der Universität von Graz eine bislang unbekannte Gruppe von Arsenlipiden unter die Lupe genommen. Sie wollten herausfinden, ob diese Arsenlipide zu den Phosphatidylcholinen gehören, die in der Membranchemie eine große Rolle spielen. Hierfür untersuchten sie membranreichen Heringskaviar aus der norwegischen See.

Die darin enthaltenen chemischen Verbindungen unterzogen sie der analytischen Methode der Massenspektrometrie, die die einzelnen Verbindungen ionisiert und fragmentiert. Aus dem Fragmentierungsverhalten erhält man die chemische Zusammensetzung der ursprünglichen Substanz. Für die Heringskaviarproben ergab sich recht schnell ein klares Bild, denn das organisch gebundene Arsen konnte leicht identifiziert werden.

Die Wissenschaftler entdeckten fünf verschiedene arsenhaltige Phosphatidylcholine und identifizierten somit die ersten Arsenlipide dieser Gruppe. Die Phosphatidylcholine sind chemisch ähnliche Verbindungen und wichtiger Bestandteil der Membranen. "Diese Studie hat fünf dieser Verbindungen identifiziert. Das ist der Anfang, um noch viel mehr dieser komplexen arsenhaltigen Naturstoffe zu entdecken", meinen die Wissenschaftler. Dazu kam ein Vertreter einer ganz neuen Gruppe von arsenhaltigen Phosphatidylethanolaminen. Wie kommt es, dass soviel Arsen in der Membran gefunden wird? "Möglicherweise führt eine ungenaue Biosynthese dazu, dass arsenhaltige Phosphatidylcholine aufgegebaut werden", sagen die Wissenschaftler.

Und was bedeutet das für die Giftigkeit des Heringskaviars? Obwohl organisch gebundenes Arsen in der Regel weniger giftig und krebserregend ist als anorganisches Arsenat, weiß man aus Studien, dass auch einige Arsenlipide hochtoxisch sind. Es muss sich noch erweisen, was der nunmehr bekannte hohe Anteil arsenhaltiger Substanzen in der Lipidmembran bedeutet. Die neuen Arsenlipide und Arsenfettsäuren werden intensiv untersucht.

 

Über den Autor

Dr. Kenneth B. Jensen ist Spezialist für die hochauflösende Massenspektrometrie. Prof. Dr. Kevin Francesconi leitet das Institut für Chemie und darin die Gruppe "Metabolismus von Spurenelementen". Sandra Viczek verfasste ihre Masterarbeit über Arsenlipide in Kaviarsubstituten, in deren Rahmen die hier genannten Verbindungen entdeckt wurden.


Zusatzinformationen:

Sandra A. Viczek, Dr. Kenneth B. Jensen, Prof. Dr. Kevin A. Francesconi:
Arsenic-containing Phosphatidylcholines: A New Group of Arsenolipids Discovered in Herring Caviar.
In: Angewandte Chemie; erschienen am 21. März 2016, DOI 10.1002/ange.201512031

Quelle: Angewandte Chemie, Pressemitteilung Nummer 9 aus 2016

 


Aktualisiert am 30.03.2016.



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