Allerdings ist die genaue Zuordnung der DIBs zu konkreten Verbindungen bislang kaum möglich. Dass es sich tatsächlich um die vermuteten Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK/PAH) handeln könnte, wird jetzt von Experimenten gestützt, die am Max-Born-Institut (MBI) in Berlin gemeinsam mit internationalen Partnern durchgeführt wurden.
Mit Hilfe von ultraschnellen UV-Lasern konnten die Wissenschaftler die Dynamik der hoch angeregten Molekülzustände entschlüsseln. Unter den Kohlenwasserstoffen, die mögliche Auslöser der Absorptionsbanden sind, galten die Polycycklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe als besonders vielversprechend. Die Anwesenheit von PAK/PAH-Molekülen wurde zuvor in vielen astronomischen Objekten abgeleitet, beispielsweise in interstellare Materiewolken unserer Milchstraße, aber sogar in zehn Milliarden Jahre alter Materie aus der Frühzeit des Universums. Unter Astronomen gab es allerdings auch Zweifel an den Hypothesen, da die Lebensdauer der ungewöhnlichen Molekülzustände nicht bekannt war. Dafür gelang jetzt den MBI-Forschern in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Lyon, unterstützt von theoretischen Berechnungen von Wissenschaftlern an den Universitäten Leiden, Heidelberg und Hyderabad, der Nachweis, dass die Lebensdauer der elektronischen Zustände von kleinen bis mittelgroßen PAHs mit den Linienbreiten übereinstimmen, die in den diffuse Absorptionsbanden beobachtet werden.
In den Experimenten wurde eine Reihe von kleinen bis mittelgroßen PAH-Molekülen (Naphthalin, Anthracen, Pyren und Tetracen, die jeweils mehrere kondensierte aromatische Ringe enthalten) mit einem ultrakurzen extrem-ultravioletten Laserpuls (XUV) ionisiert. Die Absorption eines XUV-Photons führte nicht nur zur Entfernung eines der Elektronen, sondern darüber hinaus zur elektronischen Anregung des dadurch entstandenen positiv geladenen Molekül-Ions. Die Lebensdauer dieser angeregten kationischen elektronischen Zustände wurde mit Hilfe eines zeitverzögerten Infrarot-Laserimpulses gemessen.
Sobald ein Elektron aus dem Molekül entfernt worden ist, ist die elektronische Anregung am höchsten, so dass nur ein oder wenige Infrarot-Photonen benötigt werden, um ein zweites Elektron zu entfernen. Bereits kurze Zeit später "entspannt" sich das Ion, es werden nun mehr IR-Photonen benötigt, um ein zweites Elektron herauszuschlagen. Mit anderen Worten, die Überwachung der Bildung von zweifach geladenen Ionen als Funktion der Verzögerungszeit zwischen den Laserimpulsen XUV und IR erlaubt die Messung der Lebensdauer der verschiedenen Zustände. Durch die Messungen, die durch theoretische High-Level-Berechnungen gestützt wurden, konnte gezeigt werden, dass die Lebenszeit der organischen PAH-Ionen im Bereich von einigen 10 Femtosekunden damit übereinstimmt, was auch in den diffusen Absorptionsbanden (DIBs) aus dem Weltall gemessen wird.
Die Experimente haben Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Attosekunden-Physik. Denn auch in der Chemie ist eine genaue Kenntnis der Ladungswanderung von großem Interesse, d.h., ultraschnelle Bewegungen eines Elektrons oder eines Lochs durch eine Molekülstruktur. Sie erfolgen in der unvorstellbar kurzen Zeit von Attosekunden (ein Millardstel einer Millardstel Sekunde) bis zu wenigen Femtosekunden (10-15 Sekunden). Durch die kontrollierte Ladungswanderung könnten völlig neue Möglichkeiten zur Steuerung von chemischen Reaktionen entstehen, ein Ziel, das so alt ist wie die chemische Forschung selbst. Erste Hinweise darauf, dass Ladungswanderungen in einer Zeitskala von Attosekunden bis zu wenigen Femtosekunden kontrolliert werden können, legten Forschern der Universität Mailand im vergangenen Jahr vor.
Die PAK/PAH-Moleküle, die in den Experimenten am MBI untersucht wurden, sind die bislang größten, auf die die ultraschnelle XUV-IR-Pump-Probe-Spektroskopie angewendet wurde. Weitere Experimente dazu sind in Vorbereitung.
Zusatzinformationen:
A. Marciniak et al.:
XUV excitation followed by ultrafast non-adiabatic relaxation in PAH molecules as a femto-astrochemistry experiment.
In: Nature Communications; online erschienen am 13. August 2015, DOI 10.1038/ncomms8909
Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V.
Aktualisiert am 21.08.2015.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2015/aug15/kohlenwasserstoffe-im-weltall.php
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