Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI haben dünne, kristalline Schichten des Materials LuMnO3 hergestellt, die gleichzeitig ferromagnetisch und antiferromagnetisch sind.
Die LuMnO3-Schicht ist in unmittelbarer Nähe der Grenzfläche zum Trägerkristall ferromagnetisch; mit zunehmendem Abstand nimmt sie die für das Material sonst übliche antiferromagnetische Ordnung an, während der Ferromagnetismus immer schwächer wird.
Die Möglichkeit, zwei verschiedene magnetische Ordnungen innerhalb eines Materials zu erzeugen, könnte von grosser technischer Bedeutung sein.
Die Ergebnisse erschienen in im Journal Physical Review Letters [siehe unten].
Elektronische Bauteile aus mehreren Schichten mit verschiedener magnetischer Ordnung werden vielfach in unterschiedlichen Geräten eingesetzt - etwa in Leseköpfen von Festplatten, die die gespeicherten Daten ein- oder auslesen, oder in hochempfindlichen Magnetfeldsensoren, die elektrisch ausgelesen werden. Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben nun ein Material gefunden, das verschiedene magnetische Eigenschaften kombiniert. Bei dem verwendeten Material handelt es sich um Lutetium-Mangan-Oxid, LuMnO3, ein Material mit einer Perowskitstruktur, wie sie auch von Hochtemperatursupraleitern bekannt ist. Die dünnen, einkristallinen Schichten wurden auf einem unmagnetischen, einkristallinen Trägerkristall (YAlO3) gewachsen.
Verzerrung macht gegensätzliche Ordnungen möglich
Normalerweise zeigt einkristallines LuMnO3 eine antiferromagnetische Ordnung, bei der immer zwei Spins in die eine, und die nächsten beiden in die entgegengesetzte Richtung weisen. In den am PSI erzeugten und untersuchten Schichten wurde in den ersten 10 Nanometern, also in unmittelbar Nähe zu der Oberfläche des Trägerkristalls, statt der antiferromagnetischen eine ferromagnetische Ordnung beobachtet, bei der alle Spins in die gleiche Richtung zeigen. "Normalerweise kann man einen Antiferromagneten nicht in einen Ferromagneten umwandeln. Das geht schon aus Symmetriegründen nicht. Hier muss etwa Besonderes passiert sein", betont Christof Schneider, einer der beteiligten Forscher. Die wahrscheinlichste Erklärung für den Effekt ist, dass sich die Kristallstruktur des Materials verzerrt, weil sie sich an die Struktur des Trägerkristalls anpasst. In der verzerrten Struktur ist die ferromagnetische die bevorzugte magnetische Ordnung. Mit wachsendem Abstand zur Unterlage entspannt sich die kristalline Struktur etwas, aber nicht vollständig, so dass sich ab einer gewissen Entfernung die erwartete antiferromagnetische Ordnung einstellen sollte. Beobachtet wird stattdessen eine antiferromagnetische Spinspirale, bei der die Spins in der Form einer Wendeltreppe angeordnet sind.
Experimente mit Neutronen zur Untersuchung der magnetischen Struktur an LuMnO3 geben deutliche Hinweise auf diese Spinspirale. Die Messergebnisse legen die Vermutung nahe, dass zusätzlich die erwartete antiferromagnetische Ordnung existiert. "Es war erstaunlich, dass wir in Schichten, die nur 80 Nanometer dick und ein Hundertstel Milligramm schwer waren, überhaupt die magnetische Struktur mit Neutronen messen konnten", so Christof Niedermayer, der einen Teil der Neutronenexperimente durchgeführt hat.
Vielfältige Kompetenz am PSI
In das Ergebnis gingen die Kompetenzen verschiedener Labore des Paul Scherrer Instituts ein. Die untersuchten Schichten wurden in der Arbeitsgruppe Materialien im Bereich Allgemeine Energie mittels Laserablation hergestellt. Das mit dem Laser verdampfte Rohmaterial wurde dabei auf einer geheizten, einkristallinen YAlO3-Unterlage abgeschieden, so dass eine einkristalline Schicht entstehen konnte. Die magnetischen Eigenschaften wurden an den Grossanlagen des PSI mit Hilfe von Neutronen und Myonen untersucht. Hier kommt insbesondere zum Tragen, dass Neutronen und Myonen ein magnetisches Moment haben und so einen detaillierten Einblick in die magnetische Struktur der Materialien ermöglichen. So konnte zum Beispiel mittels Neutronenreflektometrie die ferromagnetische Komponente innerhalb der Schichten lokalisiert werden.
Unterstützt wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Labore durch interne Förderinstrumente des Paul Scherrer Instituts: die interne Forschungskommission und das Cross-Programm, das die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsbereichen des Instituts fördert. Zusätzlich wird es vom Schweizerischen Nationalfonds SNF im Rahmen des MaNEP-Programms zur Erforschung von Materialien mit neuartigen elektrischen Eigenschaften unterstützt.
Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Mensch und Gesundheit, sowie Energie und Umwelt. Mit 1500 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.
Zusatzinformationen:
J. S. White, M. Bator, Y. Hu, H. Luetkens, J. Stahn, S. Capelli, S. Das, M. Döbeli, Th. Lippert, V. K. Malik, J. Martynczuk, A. Wokaun, M. Kenzelmann, Ch. Niedermayer, C. W. Schneider:
Strain-induced ferromagnetism in antiferromagnetic LuMnO3 thin films.
In: Physical Review Letters; online veröffentlicht am 17. Juli 2013, DOI 10.1103/PhysRevLett.111.037201
Yi Hu:
Preparation and structural analysis of multiferroic rare earth manganate thin films.
In: Dissertation; ETH Zürich, (2013), DOI 10.3929/ethz-a-009765788
Quelle: Paul Scherrer Institut, PSI, Schweiz
Aktualisiert am 16.07.2013.
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