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Janusköpfiges Protein Rheb

Ein Protein mit zwei Gesichtern: Wachstum oder Zelltod - Stress entscheidet über die Signale.




Abbildung unten: Janusköpfiges Protein Rheb - Das Signalprotein Rheb kommt in vielen Körperzellen, besonders im Gehirn vor. Es ist wichtig für Wachstumsprozesse - bei Zellstress zeigt es aber sein zweites Gesicht. In diesem Fall beschleunigt es den Tod der Zelle, auch Apoptose genannt. Die Abbildung zeigt eine gesunde (oben links) und eine apoptotische Nervenzelle (unten rechts). Die nun ermittelte NMR-Struktur des Rheb ist in Rot gezeigt. [Bildquelle: RUB]
Janusköpfiges Protein Rheb

Das Signalprotein Rheb kommt in vielen Körperzellen, besonders im Gehirn vor. Es ist wichtig für Wachstumsprozesse - bei Zellstress zeigt es aber sein zweites Gesicht. In diesem Fall beschleunigt es den Tod der Zelle.

Diese Erkenntnis haben Forscher um Prof. Dr. Rolf Heumann und Prof. Dr. Raphael Stoll von der Ruhr-Universität Bochum gewonnen.

Sie hat Auswirkungen auf die Behandlung von Erkrankungen: Das verbreitet eingesetzte Antibiotikum Rapamycin, das die Signalweiterleitung von Rheb verhindert, sollte mit Bedacht eingesetzt werden, raten die Forscher. Unter Zellstressbedingungen könnte sich seine Wirkung umkehren.

Die Forscher berichten darüber im Journal of Biological Chemistry [siehe unten].

 

Ein Protein, viele Funktionen

Um seine Wirkung entfalten zu können, muss der Rheb (Ras homologue enriched in brain) -Signalweg aktiviert werden. Das geschieht u.a. durch die Bindung von aktiviertem Rheb an die Protein-Kinase mTOR (target of rapamycin). Der gebundene Komplex verursacht über weitere Signalkaskaden Zellwachstum, Steuerung des zellschützenden kontrollierten Abbaus von Zellbestandteilen (Autophagie), der Reaktionen der Zelle auf Energieverknappung und der Proteinherstellung. Das Antibiotikum Rapamycin hemmt die mTOR-Kinase und somit auch die Aktivierung durch Rheb. Es wird bereits vielfach in der medizinischen Praxis angewendet, z. B. als Mittel zur Unterdrückung der Immunantwort oder bei der Krebstherapie zur Verhinderung von Zellwucherung.

 

Ähnlichkeit mit Ras

Rheb hat große Ähnlichkeit mit dem Produkt des Krebsgens Ras. Ras ist Mitglied einer Proteinfamilie, die weitreichende Signalsysteme für nahezu sämtliche zellulären Prozesse steuert. "Wir wollten wissen, ob die Funktion und Struktur des Rheb denen von Ras ähnlich sind", erläutert Prof. Heumann. "Da wir schon früher zeigen konnten, dass Ras Nervenzellen nach Verletzungen vor dem Zelltod schützt, die Zahl der Verschaltungen zwischen Nervenzellen im Gehirn erhöht und das Volumen der Nervenzellen vergrößert, haben wir nachgeforscht, ob Rheb ebenfalls diese Wirkungen hat."

 

Schalter sind flexibel

Zu ihrer großen Überraschung fanden die Forscher jedoch heraus, dass Rheb nach bestimmten Stress-Behandlungen wie UV-Bestrahlung die Zelle nicht vor dem Zelltod schützt, sondern ganz im Gegenteil ihren Untergang (Apoptose) noch verstärkt. Um den Ursachen dieses gravierenden Unterschieds zu Ras auf den Grund zu gehen, bestimmten sie die Proteinstruktur des Rheb in seinem inaktiven Zustand. Diese strukturellen Daten setzten sie in Beziehung mit der Dynamik des Proteins, indem sie die Beweglichkeit des Rheb im Bereich der Pico- bis Nanosekundenzeitskala mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR) untersuchten. "Dabei stellte sich wiederum überraschend heraus, dass im Gegensatz zum bisherigen Stand der Forschung die Flexibilität der für die Funktion des Rheb wichtigen so genannten Schalter I- und Schalter II-Regionen vom Aktivitätszustand dieses Proteins abhängt", berichtet Prof. Stoll. Demnach verhält sich Rheb ebenso dynamisch wie das bereits gut charakterisierte Ras-Protein.

 

Keine Ähnlichkeit der Signalwege

Die Forscher stellten darüber hinaus eine Wechselwirkung von Rheb mit dem typischen Ras-Partner Raf-Kinase fest. "Diese Ergebnisse ließen uns zunächst eine Ähnlichkeit der Rheb- und Ras-Signalwege vermuten", so Prof. Heumann. Sorgfältige NMR-Messungen zeigten jedoch klar, dass die Affinität zwischen Rheb und Raf-Kinase ca. 1.000-mal niedriger ist als zwischen Ras und Raf-kinase. "Eine physiologisch bedeutsame Wechselwirkung zwischen ihnen gibt es daher nicht", folgern die Forscher. "Die Signalwege von Rheb und Ras sind offenbar weit voneinander entfernt." Durch die gezielte Unterdrückung der Bildung eines weiteren Signalproteins, der apoptosis signalling kinase-1 (ASK-1), konnten die Forscher beweisen, dass dieses maßgeblich und ursächlich an der von Rheb verstärkten Apoptose beteiligt ist.

 

Rapamycin mit Bedacht einsetzen

Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Grundlagenforschung bedeutsam. Mutationen in dem Rheb vorgeschalteten Signalkomplex verursachen tuberöse Sklerose, häufig auch als Bourneville-Pringle-Syndrom oder Bourneville-Brissaud-Pringle-Syndrom bezeichnet. Diese autosomal-dominante genetische Erkrankung geht mit Fehlbildungen und Tumoren des Gehirns, Hautveränderungen und meist gutartigen Tumoren in anderen Organsystemen einher und führt häufig zu epileptischen Anfällen und kognitiven Behinderungen. Sie betrifft etwa eines von 8.000 Kindern. In laufenden Studien, z. B. in den USA, erhofft man sich eine Verbesserung der Symptome durch Rapamycin. "Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass Rapamycin auch gegenteilige Wirkung entfalten kann, wenn es auf gestresste Zellen einwirkt", erklärt Prof. Heumann. "Der Zustand der Zelle ist entscheidend."

 

Förderung im SFB

Für die Studie kombinierten die Forscher neurobiochemische und zellbiologische Kompetenzen (Arbeitsgruppe Heumann) mit strukturellen und dynamischen Daten der Proteine (Arbeitsgruppe Stoll). Sie ist im Rahmen eines durch den Sonderforschungsbereich 642 "GTP- und ATP-abhängige Membranprozesse" geförderten Teilprojekts entstanden.


Zusatzinformationen:

Sascha Karassek, Carsten Berghaus, Melanie Schwarten, Christoph G. Goemans, Nadine Ohse, Gerd Kock, Katharina Jockers, Sebastian Neumann, Sebastian Gottfried, Christian Herrmann, Rolf Heumann, Raphael Stoll:
Ras Homolog Enriched in Brain (Rheb) Enhances Apoptotic Signaling.
In: Journal of Biological Chemistry; 285, 33979-33991; 29. Oktober 2010, DOI 10.1074/jbc.M109.095968

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, RUB

 


Aktualisiert am 30.10.2010.



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