Man kennt sie aus Brot und Pizza, Bier und Wein: die Bäckerhefe. Sie lässt den Teig aufgehen und hilft, Alkohol zu produzieren. Ein chemisch eng verwandter Bruder ist jedoch vor allem in Labors im Einsatz: Hefe dient hier als Modell mit großer Relevanz für höhere Organismen, denn viele Abläufe funktionieren ähnlich wie in Pflanzen oder im menschlichen Körper. Das verleiht neuen Erkenntnissen rund um die Hefe besondere Relevanz. Grazer Forscher haben nun Hefe-Enzyme mit zwei "Köpfen" entdeckt, die zwei verschiedene Funktionen zugleich erfüllen können.
Die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichten sie in der renommierten Zeitschrift "Molecular Biology of the Cell" [siehe unten].
Pflanzen sollen Fette ansammeln, um nährstoffreich zu sein, beim Menschen hingegen sind Fettdepots meist eher unerwünscht. Da wie dort stammt Wissen über den Stoffwechsel häufig aus der wissenschaftlichen Arbeit mit Hefe. Eine entscheidende Rolle bei all diesen Reaktionen spielen Enzyme, also Proteine, die als so genannte Biokatalysatoren eine bestimmte Reaktion auslösen. "Enzyme haben an einer besonders exponierten Stelle ein "aktives Zentrum", das für die katalytische Wirkung zuständig ist", erklärt Günther Daum vom Institut für Biochemie der TU Graz.
Zukunftsträchtig statt zwieträchtig
In den Jahren 2003 und 2005 entdeckte Daum mit seiner Mitarbeiterin Karin Athenstaedt Tgl3p und Tgl5p - zwei Hefe-Enzyme, die Fette spalten. Gemeinsam mit seiner Dissertantin Sona Rajakumari gelang es ihm nun zu zeigen, dass diese Enzyme gleich zwei Reaktionen gleichzeitig katalysieren können. In ihrer Dissertation gelang Rajakumari die biochemische Charakterisierung von Tgl3p und Tgl5p: "Aufgrund verschiedener Eigenschaften wissen wir gesichert, dass diese Enzyme nicht nur eine, sondern zwei Funktionen haben können. Eine Reaktion bedient den Abbau von Fetten, die andere kurioserweise den Aufbau", berichtet Daum. "Der Vergleich unserer Enzyme mit einem Januskopf, einer Gestalt mit zwei Gesichtern, liegt nahe", so Daum. Während der mehrköpfige Gott Janus in der römischen Mythologie jedoch die Zwietracht symbolisiert, hofft man in der Biochemie mit diesem neuen Grundlagenwissen vielmehr auf zukunftsträchtige Chancen für neue Anwendungen.
Ihre Forschungsergebnisse präsentierten die Forscher im angesehenen Journal "Molecular Biology of the Cell". Die aus Indien stammende Rajakumari ist mittlerweile Absolventin des Doktoratskollegs Molekulare Enzymologie, das TU Graz und Karl-Franzens Universität gemeinsam abwickeln, und lebt und forscht in den USA.
Zusatzinformationen:
Sona Rajakumari, Günther Daum:
Janus-faced Enzymes Yeast Tgl3p and Tgl5p Catalyze Lipase and Acyltransferase Reactions.
In: Molecular Biology of the Cell; veröffentlicht am 15. Februar 2010, DOI 10.1091/mbc.E09-09-0775
Quelle: Technische Universität Graz, Österreich
Aktualisiert am 10.04.2010.
Permalink: https://www.internetchemie.info/news/2010/apr10/januskoepfige-enzyme.php
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