Erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass mikroRNAs bei dieser Genregulation eine wichtige Rolle spielen. Sie bestimmen also mit, welche Proteine in einer Zelle produziert werden. Schlägt diese Regulation fehl, können viele Krankheiten entstehen. Forscher versuchen weltweit Methoden zu entwickeln, um zu erkennen, welche microRNAs in Körperzellen aktiv sind und welche Proteine sie steuern. Bisher kennt die Forschung schon mehrere hundert microRNAs des Menschen, aber welche Proteine sie regulieren, ist nicht bekannt. Mit einem Trick konnten die Doktoranden Björn Schwanhäusser und Nadine Thierfelder messen, wie miRNAs die Produktion von tausenden verschiedener Proteine steuern. Dazu beluden sie die Bausteine der Proteine, die Aminosäuren, mit stabilen, also nicht-radioaktiven Isotopen, und gaben sie zusammen mit microRNAs in Zellkulturen. Die Zellen bauten die markierten Aminosäuren in ihre Proteine ein. Auf diese Weise konnten sie die Produktion der Proteine exakt mit einem Massenspektrometer verfolgen. Durch computergestützte Analyse der Daten in Zusammenarbeit mit Raya Khanin von der Universität Glasgow (Großbritannien) konnte so der direkte Effekt einer einzelnen microRNA auf viele tausend Proteine untersucht werden. Kann Schicksal einer Zelle verändern Wie die MDC-Forscher jetzt feststellten, geschieht die Regulierung der Proteinsynthese sehr behutsam. "MicroRNAs drehen an vielen Schaltern, aber immer nur ein bisschen", erläutert Dr. Selbach. "Dadurch ist das System biologisch sehr robust und sehr flexibel. Grundsätzlich kann eine einzige microRNA auf diese Weise das Schicksal einer Zelle komplett verändern. In Krebszellen sind beispielsweise andere microRNAs aktiv als in gesunden Zellen." Die MDC-Forscher untersuchten außerdem was geschieht, wenn die Menge einer bestimmten microRNA verringert oder erhöht wird. Dabei beobachteten sie, dass fast alle Proteine entgegengesetzt reguliert wurden. "Offenbar kann eine einzige microRNA die Produktion von fast allen Proteinen reversibel steuern" erklärt Nikolaus Rajewsky. Da microRNAs als aussichtsreiche Kandidaten für Diagnostik und Therapie von Krankheiten des Menschen gelten, werden die jüngsten Erkenntnisse der beiden Berliner Forscherteams möglicherweise in Zukunft von großer Bedeutung sein.
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