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          Bisher wird das Antibiotikum Kirromycin nicht als Medikament genutzt. 
          Doch wäre es prinzipiell für die Medizin interessant, da ein enges 
          Wirkungsspektrum einen gezielten Einsatz bei vergleichsweise geringen 
          Nebenwirkungen ermöglichen könnte. Dr. Tilmann Weber, Dr. Kristina 
          Laiple, Eva Pross und Prof. Wolfgang Wohlleben vom Mikrobiologischen 
          Institut der Universität Tübingen haben in Zusammenarbeit mit 
          Wissenschaftlern der Universität Göttingen und einer Berliner 
          Biotechnologiefirma auf genetischer Ebene die verschlungenen Wege 
          erforscht, auf denen das kompliziert gebaute Molekül Kirromycin in den 
          Streptomyces-Bakterien hergestellt wird. Über ihre 
          Forschungsergebnisse berichteten sie in der Fachzeitschrift Chemistry 
          & Biology (siehe unten). 
          
            
          
          Kirromycin bringt in empfänglichen Bakterien die Proteinherstellung 
          zum Stillstand, indem es an den so genannten Verlängerungsfaktor EF-Tu 
          bindet. Dieser wird gebraucht, um die Grundbausteine der Proteine 
          aneinanderzufügen. Da der bakterielle Verlängerungsfaktor anders 
          aufgebaut ist als der äquivalente Verlängerungsfaktor höherer 
          Organismen stellt er eine sehr interessante Ansatzstelle für 
          Antibiotika dar, die derzeit nicht klinisch genutzt wird. Daher sind 
          das Kirromycin und verwandte Stoffe neben wichtigen Werkzeugen in der 
          Proteinbiosynthese-Forschung auch interessante Kandidaten für die 
          Medikamentenentwicklung. 
          
          In der neuen Veröffentlichung berichten die Wissenschaftler über ihre 
          Arbeiten, die sie im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und 
          Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekts GenoMik-Plus 
          (Genomforschung an Mikroorganismen für industrielle Produktion, 
          Ernährung, Umwelt und Gesundheit) durchgeführt haben. Im Genom des 
          Streptomyces-Bakteriums konnten sie die Gene identifizieren, die die 
          Bauanleitung des Kirromycins enthalten. Indem sie einzelne Gene 
          gezielt ausgeschaltet haben - woraufhin die Kirromycin-Herstellung 
          ausgesetzt war - konnten sie zeigen, dass die richtigen Gene 
          aufgefunden wurden. 
          
          Kirromycin ist ein sehr komplexes Molekül: Es besitzt eine Art 
          langgestrecktes Rückgrat aus Kohlenstoffatomen. Die Analyse der 
          DNA-Sequenzdaten zeigte den Forschern, dass die Biosynthese von 
          Kirromycin einige neue, bislang nicht auf molekularer Ebene 
          verstandene Schritte enthält. Diese illustrieren, so schreiben Tilmann 
          Weber und seine Kollegen in ihrer Veröffentlichung, wie groß das 
          Potenzial für die Herstellung von chemisch extrem komplexen Stoffen in 
          den Streptomyces-Bakterien ist. 
          
          Ihre Forschungsergebnisse bilden notwendige Grundlagen, um zu 
          verstehen, wie das Antibiotikum Kirromycin und Stoffe ähnlichen Typs 
          in Mikroorganismen synthetisiert werden. Erst dadurch hat man die 
          Möglichkeit, die Substanz durch molekularbiologische Techniken zu 
          verbessern. 
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